"Mondo e Retondo" von Martin Lühker

Im Jahr 1985 schreibt und illustriert Martin Lühker die Geschichte "Das Loch in der Mauer (Die Geschichte vom Kinderkönig)". Auch wenn er das Thema Kinderkönig zukünftig noch weiter variiert, es ist davon auszugehen, dass es ursprünglich acht Illustrationen zum Text gab. "Mondo e Retondo" (ital. Welt und zurück) ist eine davon.

 
"Mondo e Retondo", 1985 (#269)
Bleistift, Aquarell auf Papier, 62 x 45 cm
Der Kinderkönig ist die wohl wichtigste Figur im Gesamtwerk von Martin Lühker.
Der Text „Das Loch in der Mauer“ ist eine tragisch-komische Liebesgeschichte mit biographischem Hintergrund.

1985 entstanden auch die zwei Skulpturen "Kinderkönig" und "Replikant" in Pappmaché und mindestens zwei Ölbilder mit dem Titel „Der Kinderkönig kämpft munter weiter“, eins davon (Das Plakatmotiv zur 4. Gesamtausstellung Buchholzer Künstler, 1985) hängt im Krankenhaus Buchholz.
 
Am Buchholzer Rathaus

Die Skulptur des Kinderkönigs wurde - nach einigen Überarbeitungen - 2008 im Auftrag der Stadt Buchholz in einer Auflage von zwei Exemplaren als Bronze produziert. Ein Exemplar befindet sich an der Wand des Buchholzer Rathauses in einer "Verlängerung" des Flurs im Obergeschoß. Der Vorschlag, hier wenigstens eine Öffnung der Mauer anzudeuten wurde abgelehnt.

Leider kam es über die Skulptur zu unsäglichen Debatten, zunächst durch einen dummen Leserbrief, der den Weg ebnete, Vergleiche zwischen Kinderkönig und Nationalsozialismus anzustellen und schließlich durch die Deutung, dass es sich um ein Symbol für die schmerzhaften Kindheitserlebnisse des Künstlers infolge schwarzer Pädagogik handeln müsse.

Unabhängig davon, wie haltlos die getätigten Behauptungen waren, es waren beleidigende Kränkungen! Und leider haben sie ihr Ziel zumindest teilweise erreicht. Selbst Ende 2020 hat die zweite Bronze noch keinen öffentlichen Platz gefunden.

 
Dabei lohnt es sich, die "burleske" Skulptur näher anzuschauen: Die Krone aus einem Plastikeimer geschnitten, das Spielzeugschwert, der übertriebene Gehrock, die Schuhe mit den Schleifen und das verkniffene Gesicht. So sieht jemand aus, der in den Krieg ziehen möchte? Nein, so sieht jemand aus, der zur Karikatur eines Regenten geworden ist, weil die Monarchie außerhalb des häuslichen Gartens einfach nicht mehr stattfindet.
"Das Loch in der Mauer"
Ein Hinweis zum Schluss des Textes:

Hier gelingt dem Künstler ein „literarischer Notausstieg“. Die Geschichte endet (was vielfach als Fragment gedeutet wurde) und die Beziehung endet ebenfalls (was wahrscheinlich viel wichtiger war):
 
Dem Kinderkönig wurde angst und bange. Mit offenem Mund starrte er seinen stocksteifen Freund an. Der Kinderkönig hatte diesen Moment gefürchtet, aber nie dran denken wollen, dass das Unvorstellbare, Unabänderliche eintreten könnte: Den Replikanten hatten die Lebensgeister verlassen!

„Seine Batterie, seine Batterie ist leer!“ schrie der Kinderkönig.


Link zum Faksimile
Der Replikant
Die Figur des Replikanten stammt aus dem US-amerikanischen Science-Fiction Film "Blade Runner" von Ridley Scott, der 1982 in Deutschland in die Kinos kam.
Die Replikanten im Film - hergestellt von der mächtigen Tyrell-Corporation -  erschließen ferne Planeten, um den Menschen dort zukünftig ein besseres Leben zu bieten. Erfunden hat sie der Designer J. F. Sebastian. Dieser lebt zurückgezogen in einem heruntergekommenen Loft (Drehort war das Bradbury Building in Los Angeles). Auf die Frage: "Must get lonely here, J.F." antwortet er: "Not really. I MAKE friends. They're toys. My friends are toys. I make them. It's a hobby. I'm a genetic designer."

Einer dieser "toys" ist die Vorlage für Martin Lühkers Replikanten und die Verkörperung des Künstlers in der Geschichte vom Kinderkönig.
   
"Cranz-Montag 15:40", 1995 (#262)
Collage 28x39 cm
 
weitere Versionen
Um 1995 entstanden noch sechs (?) weitere Illustrationen, diesmal vor dem Hintergrund einer kompletten Überarbeitung des Textes - nicht durch Herrn Lühker - und unter Verlust des eigentlichen Kerns der Geschichte. In der Sammlung befinden sich davon die drei unten gezeigten.

"Der Kinderkönig schreibt einen Weihnachtsgruß am Computer" von 1995 war eine Auftragsarbeit.

#270 

#271

#272 

#276 

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