| Beruf: "Buchholzer Künstler" |
| Betrachtung eines regionalen Phänomens von Wolfgang Schröder,
2007/2020 "Immerhin steht im Haushalt des Jahres 1979 erstmalig eine wenn auch geringe Summe für den Ankauf von Werken ortsansässiger Künstler zur Verfügung. Das vorliegende Verzeichnis möchte unserer Obrigkeit in Erinnerung bringen, dass es dergleichen Werke gibt und dass man ruhig hin und wieder eines von ihnen kaufen sollte, denn auch Kunst geht nach Brot.", schreibt Gerhard Kegel im Vorwort des "Kleines Verzeichnis der Künstler in Buchholz i.d. Nordheide", GMV, 1979. Der hier geäußerte Forderung, Ankäufe auf ortsansässige Künstler zu beschränken wird sich bei der Gründung der Buchholzer Kunstkommission als ein Geburtsfehler erweisen. Im Beschluss Nr. 12 (Ankauf von Kunstwerken für die Stadt und Gründung einer Kunstkommission) der Sitzung des Rates der Stadt Buchholz am 17.7.1979 taucht dann auch der Begriff „Buchholzer Künstler“ auf, der sich in den Folgejahren gewissermaßen zu einem Beruf definiert. Gemeint war damit die bildende, also die visuell gestaltende Kunst. Die darstellenden Künste blieben ausgespart. Das war richtig, denn die ursprüngliche Idee einer Kunstkommission ist die Beratung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Kunst am Bau. Die so getroffene geographische Beschränkung auf das Stadtgebiet war dann auch entsprechend schwer durchsetzbar und wurde nach und nach aufgeweicht. Zunächst auf einen "Großraum Buchholz" in einem Umkreis von etwa 20 km. Auch ein fester Wohnsitz in Buchholz war irgendwann nicht mehr nötig, es reichte aus, wenn man in Buchholz geboren war, lebte oder zur Schule gegangen war. Damit war ein „Buchholzer Künstler“ also ein bildender Künstler, der in einem Abschnitt seines Lebens den überwiegenden Teil des Tages im Großraum Buchholz anwesend war. Über die Qualifikation war damit noch nichts gesagt. „Ein Maler ist ein Mann, der das malt, was er verkauft. Ein Künstler dagegen ist ein Mann, der das verkauft, was er malt.“, so lautet ein Zitat, das Pablo Picasso zugesprochen wird. Es mag überraschen, aber auch dieses strenge Kriterium lässt sich hier tatsächlich anwenden. Es gab eine Zeit, da war es durchaus möglich hauptberuflich „Buchholzer Künstler“ zu sein. Eine Elterngeneration, die den Krieg bewusst erlebt hatte, subventionierte ihren Nachkommen die Ausbildung und die Ausübung des Künstlerberufes. Für ihren Nachwuchs sollte es nicht nötig sein, das raue Klima des Kunstmarktes zu spüren und in die Kunstmetropolen zu ziehen, um sich Galerien und Sammlern anzubieten. Sie durften und sollten, um es mit Richard von Weizsäcker zu sagen, „Kunst als Lebensmittel“ produzieren, „nicht als Sahnehäubchen“, sondern als „Hefe im Teig“ der Gesellschaft. Und damit vielleicht zukünftig verhindern helfen, was ihre Eltern einst erleben mussten. Der Teig ging auf und eine neue Basis für eine nun kontinuierliche Beschäftigung mit der bildenden Kunst war gegeben. „Buchholzer Künstler“ im Nebenberuf kamen hinzu. Regelmäßige Ausstellungen, Ankäufe, Preise bildeten einen ökonomischen Mikrokosmos. Und vereinzelt tauchten Mäzene auf, die sich von der berufsmäßigen Rechtschaffenheit und dem Willen der Künstler überzeugen ließen. Welche Hoffnungen geweckt wurden bleibt nur zu erahnen. Aber mit der Zeit wurden auch die Mythen zerstört. Es gab und gibt keine Talentsucher, die regionale Ausstellungen nach zukünftigen Malerfürsten durchforschen und auch Hochschulen finden ihre Professoren nicht durch Stöbern in der Provinz. Marktpreise für Kunst kennen nicht nur die eine Richtung, sondern können auch erheblich abstürzen. Der behütete und isolierte Kunstraum hatte seinen Charme, aber er war nicht frei von den Problemen der ihn umgebenden großen Kunstwelt. Im Gegenteil, es ergaben sich zusätzliche, ganz spezielle Probleme aus dem Mangel an Wettbewerb oder aus gesteigerter Selbstüberschätzung. Hinzu kamen Überalterung und Nachwuchsmangel. Finanzielle Unterstützungen wurden gekürzt oder eingestellt. Ein Rückzug setzte ein und vorne standen wieder die „Lauten“, die finanziell Unabhängigen, die die Pablo Picasso etwas herablassend als „Maler“ bezeichnet hat. Für den Betrachter ist diese Entwicklung - wenn sie denn überhaupt wahrgenommen wird - wahrscheinlich zu abstrakt. Am ehesten mag sie empfunden werden durch einen faden Beigeschmack bei einem Ausstellungsbesuch oder durch eine spürbar verunsicherte Kommunalpolitik. Kulturgeschichtlich scheint jedenfalls eine interessante Zeit zu enden. Ihre Anfänge finden sich in der Kunstausstellung in der Turnhalle der alten Realschule 1975. Ihre Höhepunkte markierten die seit 1983 alle zwei Jahre stattfindenden Ausstellungen in der Holmer Mühle. |